Der VW-Abgasskandal – Worin ist der Mangel zu sehen?

Der Skandal über die von Volkswagen bei verschiedenen Modellen eingesetzte Manipulationssoftware zieht weite Kreise. Aktuell (Stand 25.11.2015) wurde über eine einfache technische Lösung mittel Einsetzen eines kleinen „Siebs“ berichtet. Ob dies ausreicht wird sich zeigen. Jedenfalls kam diese Lösung erstaunlich schnell. Ein Schelm wer Böses dabei denkt.

Doch liegt überhaupt ein Mangel vor? Ausgangspunkt ist das Gesetz, § 434 BGB:

Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,
1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst
2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

Zu der Beschaffenheit nach Satz 2 Nr. 2 gehören auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers (§ 4 Abs. 1 und 2 des Produkthaftungsgesetzes) oder seines Gehilfen insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann, es sei denn, dass der Verkäufer die Äußerung nicht kannte und auch nicht kennen musste, dass sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt war oder dass sie die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte.

Eine konkrete, also ausdrückliche Vereinbarung der Beschaffenheit dürfte im Falle von Schadstoffemissionen nicht vorliegen.

Für die gewöhnliche Verwendung eignet sich das Fahrzeug wohl auch, es fährt ja immerhin.

Aber weist das Fahrzeug auch eine Beschaffenheit auf, die bei Sachen gleicher Art üblich sind? An dieser Stelle tun sich die ersten Probleme auf. Geht man davon aus, dass vergleichbare Fahrzeuge auch ohne Manipulationssoftware in der Lage sind, die gesetzlichen Grenzwerte einzuhalten, dann liegt eine solche „übliche Beschaffenheit“ des betroffenen Fahrzeugs wohl nicht vor. Diversen Medienberichten zufolge sind jedoch eine Vielzahl von Herstellern – über VW, AUDI, SEAT, SKODA hinaus – von im Realbetrieb zu hohen Abgaswerten betroffen. Hier wirken sich also die vom Gesetzgeber vorgegebenen Prüfkriterien aus und verkomplizieren die Angelegenheit noch weiter.

Das Kraftfahrbundesamt geht davon aus, dass es sich um eine unzulässige Abschaltvorrichtung handelt.

Ein eher sarkastisches Argument gegen die Annahme eines Mangels dürfte das folgende sein:
Es dürfte tatsächlich wohl keinen Autokäufer mehr geben, der den von den Herstellern angegebenen Verbrauchswerten Glauben schenkt. Es herrscht die allgemeine Gewissheit vor, dass diese Verbrauchsangaben in der Realität nicht zu erreichen sind. Man mag sich also die Frage stellen, ob dies auch auf angegebene Schadstoffwerte zutrifft. Insofern ist an § 442 BGB zu denken, der Gewährleistungsansprüche ausschließt, wenn der Käufer den Mangel bei Gefahrübergang kannte. In der Realität wird dieses Argument jedoch kaum Verwendung finden. Also belassen wir es bei einer sarkastischen Anmerkung des Autors.

Nachdem aktuell (Stand 25.11.2015) scheinbar eine Lösung für einen Großteil der vom Abgasskandal betroffenen Diesel-Modelle gefunden wurde, mag man sich die Frage stellen, ob und wie sich diese technische und bei manchen Modellen ausschließlich auf Softwareupdates beruhende Lösung etwa auf den Verbrauch oder die Leistung auswirkt. Hierzu schweigt sich Volkswagen derzeit noch aus.

Kommt man hier – also nach einer Lösung des Ausgangsproblems – wieder auf die Frage eines Mangels zurück, dann ist diese Frage ggf. schnell zu lösen. Hat das Fahrzeug nach der Nachrüstung (deutlich) weniger Leistung oder verbraucht es (deutlich) mehr, hat Volkswagen den einen Mangel auf Kosten eines anderen – nunmehr neuen – Mangels ausgeräumt.

Hier wird dann wieder deutlich, warum die Unterbrechung der Verjährung ein so wichtiger Schritt ist.