Gerade bei Fahrradfahrern ist oft zu beobachten, dass Kurven geschnitten werden. Meist geht das auch gut. Nur wenn es zum Unfall kommt, sieht es für diesen Fahrradfahrer schlecht aus. Diesen Fall hatte das Amtsgericht Lemgo (Urteil vom 10.02.2015 – Aktenzeichen 19 C 428/14) zu entscheiden. Ein Fahrradfahrer war links in eine Straße eingebogen und hatte – so ergab es die Beweisaufnahme – die Kurve geschnitten. Eine die Seitenstraße in gleicher Richtung überquerende Fahrerin eines E-Bikes (Pedelec) wurde vom Fahrradfahrer an der rechten Körperseite getroffen. Der klassische Fall also.
Das Amtsgericht Lemgo sprach der Fahrerin des E-Bike (Pedelec) Schmerzensgeld, Haushaltsführungsschaden und weitere Schadensersatzansprüche zu und begründete dies im Wesentlichen mit folgendem Argument:
Aus den Schilderungen der Parteien und aus den Lichtbildern sei ersichtlich, dass der Fahrradfahrer den Unfall durch einen Verstoß gegen 9 StVO verursacht hat. Wer links in eine andere Straße einbiegen will, deren Einmündung trichterförmig erweitert ist, muss den Mittelpunkt der Trichterweite rechts umfahren (BGH, Beschluss vom 13. September 1961 – BGH Aktenzeichen 4 StR 276/61 -, BGHSt 16, 255, BGHST Jahr 16, 260). Hiergegen hat der Fahrradfahrer verstoßen, zumal der Anstoß auf der rechten Körperseite der Klägerin unstreitig ist. Dies ließ sich unzweifelhaft den Lichtbildern aus der polizeilichen Ermittlungsakte entnehmen. Gestützt wird dies auch durch die Schilderung des Polizeibeamten, nach welcher der Beklagte am Unfallort ihm gegenüber eingeräumt hat, dass er sehr weit links gefahren sei. Eine behauptete überhöhte Geschwindigkeit des E-Bikes konnte nicht nachgewiesen werden.
Die Berufungsinstanz vor dem LG Detmold (Urteil vom 15.07.2015 – Aktenzeichen 10 S 43/15) reduzierte die Haftung jedoch um/auf 50%, da die Fahrerin des E-Bike (Pedelec) mit dem Argument, dass das Verhalten der Klägerin auch einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot aus § STVO § 1 StVO darstellt. Insofern hätte die Klägerin – ebenso wie der Beklagte – die Möglichkeit gehabt, den Unfall dadurch zu vermeiden, dass sie auf der für sie rechten Seite der Fahrradstraße gefahren wäre.
In seinem Leitsatz stellte das LG Detmold fest, dass es sich nach § STVG § 1 StVG bei einem Pedelec rechtlich nicht um ein Fahrrad handle. Daher haftet der Fahrer eines Pedelecs für Schäden, die bei dessen Betrieb entstehen, nicht verschuldensunabhängig nach § STVG § 7 Abs. STVG § 7 Absatz 1 StVG.