Tinnitus ist ein weit verbreitetes Phänomen welches u.a. stressbedingt oder infolge von Unfällen auftreten kann. Versicherungen neigen dazu, ein Tinnitus-Leiden infolge eines Verkehrsunfalles als nicht unfallbedingt abzutun und so ein Schmerzensgeld hierfür zu verneinen. So wird behauptet, dass auf Grundlage einer „unfallanalytischen Prüfung“ davon ausgegangen wird, dass ein Tinnitus durch einen Unfall nachweislich nicht ausgelöst werden könne. In dieser Pauschalität ist diese Aussage nicht nachvollziehbar. Der Nachweis eines Tinnitus ist schon grundsätzlich schwierig, den Nachweis allerdings hinsichtlich der Unfallkausalität zu führen ist noch schwieriger, jedoch nicht unmöglich.
Kurz zu den medizinischen Gundlagen des Tinnitus
Es ist allgemein bekannt, dass für einen Tinnitus vielfältige Ursachen in Betracht zu ziehen sind. Infrage kommen sehr oft u.a. Probleme der Halswirbelsäule. Stresshormonen können zudem zu Durchblutungsstörungen im Innenohr führen. Eine Verengung von Blutgefäßen durch Ausschüttung von Stresshormonen kann zu Funktionsstörungen der sensiblen Innenohrsinneszellen führen. Dadurch werden Regulierungsmechanismen im Gehör gestört, so dass die übliche Grundaktivität im Hörsystem nicht mehr weggefiltert wird und sodann als Pfeifen wahrnehmbar wird.
Lärm ist die häufigste Ursache von Tinnitus. In 43% der Fälle lösen Dauerlärm oder ein lauter Knall Ohrgeräusche aus. An zweiter Stelle (25 % aller Betroffenen) liegen laut einer Umfrage der Deutschen Tinnitus-Liga beruflicher und privater Stress. Im Rahmen einer Studie wurde zudem festgestellt, dass viele Patienten mit akutem Tinnitus unmittelbar vor diesem Ereignis unter starken Lebensbelastungen litten.
Es ist zudem herrschende medizinische Meinung, dass Verletzungen im HWS-Bereich zu erheblichen Beeinträchtigungen des Nervensystems und des gesamten Gelenksapparates im Kopfbereich führen können. Als Beispiel sei hier erwähnt, dass u.a. die craniomandibuläre Dysfunktion auf HWS-Verletzungen zurückführbar ist. Insofern ist ein Zusammenhang zwischen einer HWS Verletzung und einer Beeinträchtigung des Hörapparates ebenfalls zu bejahen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich das Gehör in unmittelbarer Nähe zum Kiefergelenk befindet.
Die Höhe des Schmerzensgeldes
Alleine für die Tinnituszunahme auf einem Ohr hat das AG Pforzheim in seiner Entscheidung vom 03.07.2008 (9 C 107/08) ein Schmerzensgeld von 3.750,- EUR als angemessen betrachtet.
Das OLG Bremen hat in seiner Entscheidung vom 24.07.2001 (3 U 101(00) für eine einfach HWS-Distorsion sowie ein Tinnitusleiden ein Schmerzensgeld von gesamt 7.500,- EUR als angemessen betrachtet.
Zu berücksichtigen ist, dass nach einer Entscheidung des OLG Hamm vom 13.07.2010 (I-9 U 89/09) ein dauerhafter Tinnitus nicht mehr als leichte Hörschädigung einzuordnen ist.
Schließlich stellt auch das Landgericht München (1 O 7240/02) fest, dass alleine ein Tinnitus mit 4.500,- EUR zu bemessen ist.
In unserer Praxis ist klar erkennbar, dass sich die Schmerzensgeldbeträge erhöhen, soweit von einem Arzt der Tinnitus klar diagnostiziert wird. Je besser und fundierter diese Diagnose festgestellt wird desto eher sind die Versicherungen bereit, ein höheres Schmerzensgeld zu bezahlen.
So konnten wir im Falle eines Auffahrunfalles, bei dem usner Mandant eine HWS-Distorsion erlitt und zudem seit dem Unfall unter Tinnitus leidet einen Schmerzensgeld-Betrag von knapp 4.000,- EUR erreichen, obwohl der HNO ein absolut unbrauchbares Attest ausstellte. Alleine die Ankündigung, unsere Mandantin zu einem Spezialisten bzw. ins Uni-Klinikum zu schicken führte bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung dazu, dass man den Vorschuss um 3.000 EUR aufstockte.
In einem ähnlichen Fall ergab sich unfallbedingt ebenfalls eine HWS-Distorsion sowie ein Tinnitus. Hier war die Allianz bereit, ein Schmerzensgeld von 5.000,- EUR zu bezahlen, obwohl auch hier der Tinnitus nicht optimal nachgewiesen werden konnte.
Entscheidend ist, dass das Tinnitus-Leiden glaubhaft dargestellt wird und mit möglichst „guten“ medizinischen Dokumentatioen unterlegt wird. Außergerichtlich sind die Versicherungen offensichtlich bereit, hier einigermaßen zu regulieren. Gleichwohl muss man sich bewusst sein, dass ein Schmerzensgeld von 4.000 – 5.000 EUR kaum geeignet sein wird, ein lebzeitiges Pfeiff-Geräusch im Ohr und die damit einhergehenden Beeinträchtigungen der Lebensqualität zu kompensieren. Andererset ist der Nachweis von Tinnitus schwierig, so dass man in diesen Fällen stets abzuwägen hat.