Abschleppkosten zur Heimatwerkstatt erstattungsfähig?

Oft stellt sich das Problem, dass sich der Unfall nicht am Heimatort, sondern mehrere Kilometer entfernt ereignet. Üblicherweise hat man ein Interesse daran, dass das Auto in der Werkstatt seines Vertrauens repariert wird. Dann fallen jedoch erhebliche Abschleppkosren an. Ob diese Kosten stets von der gegnerischen Haftpflichtversicherung übernommen werden ist nicht eindeutig zu beantworten.

Versicherungen argumentieren damit, dass der Geschädigte gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen habe, als er das Abschleppunternehmen beauftragte, das Auto beispielsweise in die 400 km entfernte Heimatwerkstatt zu transportieren.

In einer Grundsatzentscheidung hatte das OLG Celle in einem Urteil vom 4.7.1968 (5 U 57/68) festgestellt, dass der Geschädigte grundsätzlich die Abschleppkosten vom Unfallort zum Sitz einer von ihm ständig benutzten Werkstätte ersetzt verlangen kann, wenn das beschädigte KFZ reparaturfähig ist und die Abschleppkosten in einem angemessenen Verhältnis zu den Reparaturkosten stehen. Dennoch ist die aktuelle Rechtsprechung diesbzgl. sehr uneinheitlich.

Abschleppkosten zur Werkstatt seines Vertrauens nicht ersatzfähig

Allerdings hatte das OLG Köln in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1992 entschieden, dass die Schadensminderungspflicht aus § 254 BGB den Geschädigten grundsätzlich verpflichtet, sein Fahrzeug nur bis zur nächstgelegenen geeigneten Werkstatt abschleppen zu lassen, weil sein „besonderes Vertrauen“ zu einer Heimatwerkstatt bei Serienfahrzeugen für die Schadensdiagnose und Reparaturausführung keine Rolle spielen; hierbei ist jede unfallortnahe Vertragswerkstatt als eine geeignete anzusehen.

Eine aktuelle Entscheidung des AG Ratingen (Urteil vom 29.11.2013 – 9C 292/13) entschied wie folgt: Nach einem Verkehrsunfall sind in der Regel nur diejenigen Kosten erstattungsfähig, die erforderlich sind, um das beschädigte Fahrzeug von der Unfallstelle zur nächstgelegenen Vertragswerkstatt abzuschleppen.

Das Gericht führte aus, dass die Kosten, die einem Geschädigten aus einem Verkehrsunfall durch das Abschleppen des Fahrzeugs entstanden sind, grundsätzlich zum ersatzfähigen Schaden nach § 249 BGB gehören. Im Rahmen des § 249 BGB ist einzig der erforderliche Geldbetrag zu erstatten, das heißt die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte.

Aufgrund dieser Schadensminderungspflicht des Geschädigten sind daher im Rahmen des § 249 BGB die zu erstattenden Abschleppkosten grundsätzlich auf einen Abschleppvorgang zur nächstgelegen, geeigneten Werkstatt begrenzt. Geeignet in diesem Zusammenhang ist jede nächstgelegene Werkstatt des Herstellers des Fahrzeugs und somit die nächstgelegene Herstellerwerkstatt, da im Reparaturfall davon auszugehen ist, dass jede Vertragswerkstatt in der Lage ist, eine Reparatur fachgerecht durchzuführen.

Hiergegen könnte man natürlich einwenden, dass auch im Falle einer Reparatur in der fern gelegenen Werkstatt weitere Kosten angefallen wären, etwa Taxikosten, Mietwagen- oder Hotelkosten. Auch müsste man argumentieren, dass es nicht sein kann, dass ein Geschädigter seine Freizeit oder gar Urlaub für die Rückholung seines Fahrzeugs vom Unfall- bzw. Reparaturort aufwenden müsse. Dies ist letztlich aber eine Frage des Einzelfalles. Das AG Ratingen jedenfalls ging davon aus, dass diese Kosten der (privaten) Rückholung deutlich günstiger waren, als der Rücktransport per Abschleppunternehmen. Letztlich ist abzuwägen, was billiger ist, Abschleppkosten oder Kosten der (privaten) Rückholung.

Das AG Steinfurt wendet in seinem Urteil vom 12.06.2014 – Az. 21 C 1216/13 – ein, dass man noch nicht von der Notwendigkeit einer Hotelübernachtung ausgehen könne, wenn Hin- und Rückfahrt „lediglich“ 700 km ausmachten.

Abschleppkosten zu Heimtwarkstatt ersatzfähig

Anders sieht es allerdings das AG Halle (Saale) in seiner Entscheidung vom 15.09.2011, Aktenzeichen: 96 C 1725/10 sowie das LG Würzburg in seiner Entscheidung vom 29.10.1997, Aktenzeichen: 43 S 972/97. Beide Entscheidungen sind www.autorechtaktuell.de entnommen.

Das AG Halle hatte vorliegend zur entscheiden, ob der Kläger Anspruch auf die Erstattung der Abschleppkosten seines verunfallten Fahrzeuges vom etwa 610 km entfernten Unfallort zu seinem Wohnort hat, oder ob er sich aus Gründen der Schadensminderung auf eine Reparatur am Unfallort hätte verweisen lassen müssen, mit dem Ergebnis, dass er die Reisekosten und Übernachtungskosten, ggf. auch Verdienstausfall hätte gegenüber der Versicherung geltend machen können. Letztere Variante wäre in diesem Fall kostengünstiger gewesen.

Das AG Halle vertrat hier den Standpunkt, dass bei einer Reparatur am weit entfernt gelegenen Unfallort einerseits dem Geschädigten ein Verlust an Freizeit entstanden wäre, der nicht auszugleichen wäre. Zudem wäre es auch nicht zumutbar gewesen, Urlaubstage hierfür aufzuwenden, selbst wenn diese finanziell ausgeglichen würden. Schließlich liefe der Geschädigte Gefahr, bei einer evtl. nicht fachgerechten Reparatur am Unfallort seine Ansprüche gegen den Reparaturbetrieb aufgrund der Entfernung nicht effektiv durchsetzen zu können.

Der Geschädigte hat dabei nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Den Geschädigten traf keine sich aus Treu und Glauben ergebende Pflicht, seinen Pkw am Unfallort reparieren zu lassen, um auf diese Weise den Schaden zu minimieren. Selbst wenn der Geschädigte am Unfallort hätte reparieren lassen, wären nicht unerhebliche Kosten für die An- und Rückreise sowie die Übernachtung und Urlaubsentgelt angefallen. Dem Geschädigten war im konkreten Fall eine Reparatur vor Ort jedoch nicht zuzumuten. Der Geschädigte hätte mindestens zwei Tage für die Anreise und Rückreise zur Reparaturwerkstatt aufwenden müssen. Dieser Verlust an Freizeit wird nicht ausgeglichen. Es ist auch nicht zumutbar, dass der Geschädigte dafür Urlaub in Anspruch nimmt. Auch die finanzielle Abgeltung verschafft ihm nicht die Möglichkeit, seinen Urlaub zu Erholungszwecken nach eigener Zweckbestimmung einzusetzen. Zudem trägt er durch eine so lange Reise ohne von ihm verursachte Notwendigkeit, ein erhöhtes Risiko für sich und sein Eigentum. Hinzu kommt, dass der Geschädigte bei einer nicht auszuschließenden nicht ordnungsgemäßen Reparatur die notwendigen Ansprüche weit von seinem Wohnort geltend machen müsste. Auch das könnte mit weiteren Schwierigkeiten allein wegen der Entfernung verbunden sein. …

Das LG Würzburg führte wie folgt aus:

Liegt für den Geschädigten ein Totalschaden vor oder zumindest nahe, ist das beschädigte Fahrzeug in die nächstgelegene Werkstatt oder zu einem Abstellplatz zu bringen. Insofern sind Abschleppkosten zu ersetzen. Ein weiteres Abschleppen (beispielsweise zum Wohnort des Geschädigten) wäre dann unrentabel und würde gegen die Schadenminderungspflicht des Geschädigten verstoßen. Die Entscheidung, ob ein Totalschaden am Fahrzeug vorliegt, ist in der Regel nicht leicht und manchmal erst nach Untersuchung durch eine Werkstatt oder Beauftragung eines Sachverständigen zu treffen. Deswegen darf der Geschädigte im Zweifelsfall nur den zunächst kostengünstigsten Weg, nämlich die Verbringung des beschädigten Fahrzeuges in die nächstgelegene Werkstatt wählen. Sollte das Fahrzeug jedoch reparaturwürdig und reparaturfähig sein, darf er das Fahrzeug in die auch sonst von ihm beauftragte Werkstatt seines Vertrauens bringen lassen.

Fazit: Bei (höheren) Abschleppkosten ist Vorsicht geboten

Es lässt sich also festhalten, dass es keine eindeutige Rechtsprechung gibt. Grundsätzlich ist Vorsicht geboten, da man durchaus eine Tendenz dahingehend erkennen kann, dass die Abschleppkosten an die weit entfernte Werkstatt seines Vertrauens nicht erstattungsfähig sind.

Man muss also in jedem Einzelfall entscheiden, wie ein evtl. Rücktransport zu handhaben ist. Faktisch wird es wohl so sein, dass der Heimatbetrieb ein Interesse an der Reparatur haben wird und evtl. Transport- bzw. Abschleppkosten auch als Investition verbuchen kann, sollte die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers eine Regulierung ablehnen.